Feldkirch. (VN-vic) Ziemlich plötzlich und von vielen fast unbemerkt ist das „Haus Widnau 2“ an der Bärenkreuzung aus dem Stadtbild verschwunden. Anfang Mai wurde das 135 Jahre alte Gebäude, das sich seit 1977 im Besitz der Arbeiterkammer befand, binnen zwei Wochen dem Erdboden gleichgemacht. Seit den 1980er-Jahren waren darin Büroräumlichkeiten des Ausländerreferats beziehungsweise der ÖGB-Landesexekutive Vorarlberg untergebracht – bis unmittelbar vor dem Abbruch war das Projektbüro für die AK-Wahlen dort angesiedelt. Beschluss und Bescheid zum Abriss des baufälligen Gebäudes erfolgten im Dezember des Vorjahres – eine Renovierung hätte sich aufgrund der schlechten Bausubstanz nicht mehr gelohnt.
Dokumentierte Geschichte
Weil es sich bei dem Haus aber um ein historisch wichtiges Gebäude handelte, beauftragte die AK die Kunsthistorikerin Ingrid Holzschuh damit, eine Dokumentation zu verfassen. „Wir betrachten es als unsere Aufgabe, das Haus auf diesem Weg für die Nachwelt zu erhalten“, betont AK-Direktor Rainer Keckeis.
Holzschuh erklärt die architektonische Bedeutung des – für den Laien – unscheinbaren Gebäudes damit, dass es ein frühes Beispiel eines Mietzinshauses war, das in dieser Funktion errichtet wurde. Und, dass es aufgrund der durchgeführten Fassadenbereinigung, mit der das architektonische Erscheinungsbild verändert wurde, ein Exempel für die ‚Überformung‘ in den 1960er-Jahren, als der Historismus noch nicht geschätzt wurde, war.
Kulturhistorisch zeichnet sich das im Jahr 1879 von Baumeister Josef Graß erbaute Zinshaus durch die interessanten Persönlichkeiten, die darin wohnten, aus: Die erste Architektin Vorarlbergs, Adelheid Gnaiger, und ihre Schwester, die Ärztin Isa Größschädl, wuchsen im Haus auf. Der spätere Bundeskanzler Otto Ender oder Stadtarzt Josef Küng und seine Familie wohnten dort. Weitere Mieter waren Guido Burtscher, Sepp Büchele oder Fidel Schurig, weiß Holzschuh zu berichten.
Im Zuge der Abbrucharbeiten wurden vorläufig Parkplätze für Kunden der AK geschaffen. Geplant ist der Neubau eines Bürogebäudes – der Planungsdialog mit der Stadt Feldkirch ist bereits abgeschlossen, so Keckeis. „Die Umsetzung folgt, wenn wir eine bestimmte Anzahl an Mietern haben.“