Vor 95 Jahren: Major Leonhard Henning – ehemaliger Leiter der Zensurstelle Feldkirch – musste sich im Dezember 1918 gegen Unterschlagungs-Vorwürfe wehren
Als Anfang November 1918 die rund 500 Zensoren der „K.u.k. Zensurstelle in Feldkirch“ sozusagen „über Nacht verschwanden“, weinte ihnen die Vorarlberger Bevölkerung keine Träne nach. Die Arbeit in der Zensurstelle galt – aus militärischer Sicht – weil in der Etappe und somit „weit vom Schuss“ – als völlig ungefährlich. Noch im Oktober 1918 waren in der Zensurstelle 80 Offiziere, 525 Soldaten und 2 weibliche Hilfskräfte beschäftigt, die in ihrer Freizeit in die Stadt drängten.
Einige Wochen nach der Schließung der größten Zensurstelle sah sich der ehemalige Leiter Major Leonhard Henning, der zu dieser Zeit im Hotel Bristol in Wien logierte, mit dem Vorwurf der Unterschlagung in Millionenhöhe konfrontiert.
Im konservativen „Vorarlberger Volksblatt“ (17.12.1918), in der Vorarlberger Landesteitung (17.12.1918) sowie in der sozialdemokratischen „Vorarlberger Wacht“ (18.12.1918) ließ Henning folgende „Erklärung“ veröffentlichen:
„Wien, 15. Dez. 1918
Soeben erhalte ich Mitteilung, daß man in Vorarlberg und in Feldkirch spricht, ich hätte Millionen unterschlagen und sie in der Schweiz deponiert.
Ich ersuche jedermann, der sich für einen Beweis hiefür berufen glaubt, sofort die gerichtliche Anzeige gegen mich zu erstatten, so daß ich diesen Verleumdern entgegentreten kann.
Offiziere wie Mannschaften wurden von meinen beiden Unterabteilungsoffizieren im Vereine mit den Unteroffizieren der Kanzleien unterstützt, voll mit Gebühren abgefertigt und voll ausbezahlt. Der Rest der Gelder wurde dem Standorte von Vorarlberg abgeführt und ausstehende Forderungen Einzelner wurden ihm bekanntgegeben, wie ich auch den Landesrat schriftlich ersucht, zu erheben, ob noch Geschäftsleute Forderungen an die Zensurstelle haben, damit Vorarlberger nicht geschädigt werden. Die in der Bankgruppe verwahrt gewesenen Gelder wurden durch Hauptmann Viktor Bellak dem Herrn Landesrate Unterberger bzw. dem Herrn Oberpostkontrollor Fieber zur Weiterleitung übergeben, wenn der Landesrat mit Rücksicht auf die Devisen-Verordnungen die Erlaubnis hiezu gibt.
Wien, Hotel Bristol
Major Leonhard Henning“
Oskar Schilling schreibt zur Auflösung der Zensurstelle Feldkirch: „Sämtliche Post, darunter Wertsendungen im Gesamtbetrag von über 1 ½ Millionen Kronen wurden dem Postamt Feldkirch zur Rückleitung an die Absender übergeben.“ (O. Schilling, Die Zensur in Vorarlberg während des Ersten Weltkrieges, S 154)
Während die „Vorarlberger Wacht“ keinen Kommentar zu dieser Erklärung Hennings abgab, so ließ das „Vorarlberger Volksblatt“ wissen: „Wir haben mit Offizieren und mit Mannschaftspersonen, die unter Herrn Major Henning gedient haben, gesprochen und von allen Auskunft erhalten, daß in früherer Zeit und bei der Auflösung der Formation jedermann seine Gebühren voll erhalten hat. Unter Major Henning gab es z.B. keinen Schwindel bei der Mannschaftskost, wie es an manchen anderen Orten zu beklagen war. Bei der Auflösung der Zensurstelle bekam jede Mannschaftsperson (im ganzen waren es etwa 500) sieben Kronen als Menageersparnis bar ausbezahlt.“
Bericht: Willi Rupp (wru)
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