Auf Einladung des TAK war das renommierte Theater Freiburg mit Schillers „Jungfrau von Orleans“ an zwei Abenden im SAL zu Gast.
Schaan. (sch) Die spanische Geschichte kennt eine Johanna die Wahnsinnige (Grund: die Eskapaden ihres Gatten Philipps des Schönen); die französische Geschichte kann die wohl populärste historische Johanna vorweisen – Jeanne d´Arc (hl. Johanna, genannt die Jungfrau von Orleans). Ihre faszinierende, wohl singuläre und tragisch endende Biografie hat sowohl die Politik wie auch die Kirchengeschichte Jahrhunderte über ihren Tod hinaus beschäftigt. Ganz zu schweigen vom kulturell-literarischen Bereich (Shaw, Claudel, Anouilh), fokussiert in der „romantischen Tragödie“ von Friedrich Schiller. Jeanne wurde um 1412 als französisches Bauernmädchen geboren, das sich im Hundertjährigen Krieg durch göttlichen Auftrag (Muttergottes, Engel) zur Befreiung Frankreichs berufen fühlte. Sie befreite als Kriegsherrin 1429 Orleans und führte den schwachen Karl VII. zur Krönung nach Reims. 1430 wurde sie von den Burgundern gefangen und nach einem kirchlichen Prozess in Rouen zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt (1431). Nach einer fragwürdigen Rehabilitierung 1456 erfolgte 1920 (!) auch noch die als ausgesprochen peinlich empfundene Heiligsprechung der einst gnadenlos hingerichteten „Ketzerin“ und nun zur französischen „Nationalheiligen“ avancierten frühen Powerfrau.
Genie, Hexe, Heilige . . .
Schiller hielt sich ziemlich authentisch an die wesentlichen historischen Fakten, das Ende von Jeanne ist beim deutschen Klassiker allerdings der Tod in der Schlacht und nicht auf dem Scheiterhaufen. Dem Dichter, selbst Historiker, ging es vor allem um eine Ehrenrettung Johannas gegenüber Voltaires satirischer Sicht der Kämpferin („La Pucelle d´Orleans“). Und Johannas Sympathie für Männer wird von Schiller als schuldhafter Bruch des frei gewählten Zölibats aus höherer Berufung zur Heldin gesehen. Der deutsche Klassiker Schiller konnte auch beschränkt denken …
Jeanne d´Arc ist historisch wie auch charakterlich eine zweifellos sehr komplexe Figur.
Religiöser Fanatismus mit beharrlichem Insistieren auf die Berufung „von oben“, der programmierte Konflikt mit England und ihre Opferrolle, die Herzensregungen der Frau und die sture Askese der Amazone in Rüstung – all das gehört ins schillernde Psychogramm der Jeanne. Und da sie stets kompromisslos an die Grenzen ging, kann man sie sehr wohl als abnorme, ja besessene Persönlichkeit sehen. Auch Schiller tat dies, doch viel differenzierter als die aktuelle Inszenierung des Werks durch das Theater Freiburg (Regie: Felicitas Brucker). Auf der einer Turnhalle ähnlichen SAL-Bühne mit diversen Geräten (Paletten, Leitern an der Wand, einem Seziertisch-ähnlichen Glasmöbel) hetzt das vielköpfige Ensemble in verschiedenen undeutlich ineinanderfließenden Rollen durch die Szene; mit meist rasantem Tempo wird gerannt, gehüpft, geklettert, gekrochen, getanzt – wohl zuviel für eine Schiller-Jungfrau, und warum wohl so gymnastisch?
Und diese, eine fulminante junge Schauspielerin namens Lena Drieschner, wurde von der Regie ganz klar als von Wahnvorstellungen gequälte Psychopathin stigmatisiert. Im Outfit einer zerzausten Piippi Langstrumpf kauerte sie entweder irgendwo mit glasigem Blick, zitternd, keuchend, starr, oder sie brüllte hysterisch ihren Schiller-Text ins Publikum. Da fast nur gehetzt deklamiert wurde, blieb die Sprache der Schauspieler großteils undeutlich. Einzig Konrad Singer als König und die Mimen der Prozess-Szene konnten sprachlich punkten. Für stimmige Musik (Gitarre) und Sound-Design sorgte Malte Preuss.
Man sollte die „Jungfrau von Orleans“ für das Heute nicht neu erfinden, sie passt mit ihrer verstaubten Problematik nur in ihre Zeit und zählt zu Recht etwa nach „Wallenstein“ zu den schwächeren Stücken Schillers.